Einstandspflicht der Kaskoversicherung bei Kfz-Diebstahl nach Schlüsseleinwurf in Werkstatt-Briefkasten

Wird ein Kundenfahrzeug nach dem Einwurf des Fahrzeugschlüssels in den (Nacht-)Briefkasten eines Autohauses entwendet, ist dies nach einem aktuellen Urteil des LG Oldenburg (Az. 13 O 688/20 vom 14.10.2020) nicht uneingeschränkt als eine den Versicherungsanspruch kürzende, grobe Fahrlässigkeit zu werten. Nach dieser Entscheidung ist eine Kürzung des Ersatzanspruchs durch die Versicherung nicht gerechtfertigt, wenn dem Kunden nach dem äußeren Erscheinungsbild an der Sicherheit des Briefkastens keine Zweifel aufkommen müssen, dass der Schlüssel von Unbefugten wieder aus dem Briefkasten entnommen werden könnte. 

Im aktuellen Fall hat der klagende Versicherungsnehmer an einem Sonntag das Fahrzeug wegen einer beabsichtigten Reparatur auf dem Parkplatz der Werkstatt abgestellt und den Schlüssel in den Briefkasten des Autohauses eingeworfen. Am nächsten Montagmorgen stand das Fahrzeug schon nicht (mehr) auf dem Gelände der Werkstatt. Der Briefkasten der Werkstatt ist dabei fest in die Fassade integriert und befindet sich im direkten Eingangsbereich des Autohauses. Der stabil und sicher aussehende Briefkasten selbst wirkt von außen so, als ob die eingeworfenen Schlüssel so weit nach unten fallen, dass man sie von außen nicht mehr herausholen kann. Da die beklagte Versicherung den Schlüsseleinwurf in den Briefkasten als eine ein Mitverschulden auslösende, grobe Fahrlässigkeit eingestuft und deshalb 9.146,34 € nicht ausgezahlt hat, beschritt der Kläger den gerichtlichen Weg vor das LG Oldenburg.

Das LG Oldenburg hat entschieden, dass der Kläger Anspruch auf Auszahlung der restlichen 9.146,34 € hat, da keine Obliegenheitsverletzung des Klägers vorlag - und damit auch keine Leistungsfreiheit der beklagten Haftpflichtversicherung. Zwar sei ein Versicherer nach § 28 Abs. 2 VVG im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Allerdings liege hier keine grobe Fahrlässigkeit vor.

Das Einwerfen eines Schlüssels in den Briefkasten eines Autohauses kann den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit erfüllen. Es kommt entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles an. Erst wenn eindeutig klar sei, dass ein Schlüssel leicht wieder aus dem Briefkasten herausgezogen werden kann, käme es zu einer groben Fahrlässigkeit. Im konkreten Fall erweckten die Örtlichkeiten den Eindruck, als befände sich der Briefkasten in einem geschützten Bereich.

Fazit:
Immer wieder mal kommt es vor, dass Kundenfahrzeuge nach dem Einwurf des Fahrzeugschlüssels in den (Nacht-)Briefkasten eines Autohauses entwendet werden. Schnell stellt sich hier die Frage, ob die (Kasko-)Versicherung des Fahrzeughalters oder die Versicherung des Autohauses für den Schaden aufkommen bzw. die volle Schadenssumme auszuzahlen ist. Das LG Oldenburg hat diesbezüglich die Feststellung getroffen, dass nicht jeder Schlüsseleinwurf in den Briefkasten eines Autohauses den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit und damit die Herabsetzung des Ersatzanspruchs rechtfertigt. Vielmehr kommt es darauf an, ob dem Kunden nach dem äußeren Erscheinungsbild im Einzelfall Zweifel aufkommen müssen, dass der Schlüssel von Unbefugten wieder aus dem Briefkasten entnommen werden könnte. Sollten sich Versicherungen in vergleichbaren Fällen weigern, den Schaden vollständig zu begleichen, gilt es den Sachverhalt genau unter die Lupe zu nehmen. Ist für den Kunden eine Unsicherheit des Briefkastens nicht zu erkennen, sollte mit Verweis auf das LG Oldenburg auf den vollen Schadensausgleich gedrängt werden.