ZDK-Meldung: Urteile des BGH im Haftpflichtschaden

Unfallschadensrecht – Das sog. Werkstattrisiko geht auf die Kfz-Werkstatt über, wenn ihr die Reparaturkosten abgetreten werden 

Die Rechtsabteilung des Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) veröffentlicht eine Information mit Schaubild über mehrere Urteile des BGH, was die Frage beantwortet, wer das sog. Werkstattrisiko trägt, wenn der Unfallverursacher den Einwand einer überhöhten Werkstattrechnung geltend macht. Der Geschädigte kann vom Unfallverursacher zwar immer den erforderlichen Geldbetrag für die Reparatur seines Fahrzeugs in einer Kfz-Werkstatt verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB)>hier< https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__249.html#:~:text=(2)%20Ist%20wegen%20Verletzung%20einer,den%20dazu%20erforderlichen%20Geldbetrag%20 verlangen. Das Werkstattrisiko hat der Schädiger aber ohne Ausnahme nur dann zu tragen, wenn der Geschädigte die Kosten der Fahrzeugreparatur bereits vollständig gezahlt hat. Sind die Kosten dagegen noch nicht vollständig beglichen, ist zu differenzieren. Bei einer Zahlungsanweisung zugunsten der Werkstatt ist das Werkstattrisiko noch beim Schädiger. Es geht aber auf die Kfz-Werkstatt über, wenn diese die Ansprüche aus abgetretenem Recht direkt geltend macht.

Hintergrund: Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in fünf Urteilen die Frage zu beantworten, wer das sog. Werkstattrisiko trägt, wenn der Unfallverursacher den Einwand einer überhöhten Werkstattrechnung geltend macht. Aufgrund des bisher generell den Schädiger treffenden Werkstattrisikos musste dieser nach bisheriger Rechtsprechung die Reparaturkosten immer vollumfänglich ersetzen. Eine unsachgemäße oder unwirtschaftliche Arbeitsweise der Werkstatt führte in keiner Weise zu einer Qualifizierung als unangemessene (d.h. als nicht „erforderliche“, § 249 BGB) Reparaturkosten. Soweit es für den Geschädigten nicht erkennbar war, erstreckte sich dieses vom Schädiger zu tragendes Risiko sogar auf Fälle, bei denen Reparaturschritte und -maßnahmen tatsächlich nicht durchgeführt worden sind. Im Rahmen des Vorteilsausgleichs konnte der Schädiger dann nur die Abtretung etwaiger Ansprüche des Geschädigten gegen den Werkstattbetreiber verlangen. Mangels Entscheidungserheblichkeit erübrigte sich dann in allen Fällen natürlich auch eine Beweisaufnahme über die objektive Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Reparaturkosten.

Da der Geschädigte auf den von der Fachwerkstatt gewählten Reparaturweg vertrauen darf, ist er auch nach der neuen Rechtsprechung nicht zur Einholung eines Gutachtens verpflichtet, bevor er einen Reparaturauftrag erteilt. Deshalb kommt es auch nicht zu einem Auswahl- oder Überwachungsverschulden des Geschädigten, wenn er der Werkstatt bei der Einholung eines Gutachtens die Auswahl des Sachverständigen überlässt ("Schadensservice aus einer Hand").

Auch ist es dabeigeblieben, dass die Bezahlung der Reparaturrechnung durch den Geschädigten keine Voraussetzung für den Verbleib des Werkstattrisikos beim Schädiger ist. Neu ist die Verteilung des Werkstattrisikos nach dem BGH nun aber dann zu beurteilen, wenn der Geschädigte die Reparaturrechnung noch nicht beglichen hat. In diesem Fall verbleibt das Werkstattrisiko nur dann beim Schädiger, wenn er die Zahlung der Reparaturkosten an die Werkstatt verlangt; und nur Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Regressansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt. Dagegen wechselt dieses Risiko vom Schädiger zum Geschädigten, wenn er die Zahlung der noch nicht beglichenen Reparaturkosten an sich selbst verlangt.

Schließlich steht es dem Geschädigten im Rahmen von § 308 Abs. 1 ZPO frei, vom Schädiger statt der Zahlung die Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber der Werkstatt zu verlangen. In diesem Fall richtet sich sein Anspruch grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens danach, ob und in welcher Höhe er mit der Verbindlichkeit beschwert ist, die er gegenüber der Werkstatt eingegangen ist.

Grundlegend neu ist nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung, dass sich bei einer unbeglichenen Werkstattrechnung weder der Geschädigte noch die Kfz-Werkstatt auf das Werkstattrisiko berufen können, wenn ersterer seine Schadenersatzansprüche im Wege der Abtretung auf Dritte überträgt. Denn der Schädiger hat insoweit ein besonders schutzwürdiges Interesse daran, dass der Geschädigte sein Gläubiger bleibt. Allein in diesem Verhältnis ist es nämlich gewährleistet, dass der Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger einerseits und etwaige (im Wege des Vorteilsausgleichs abzutretende) Regressansprüche gegen die Werkstatt andererseits in einer Hand (des Geschädigten) liegen. Im Ergebnis trägt daher bei Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenem Recht stets der Zessionar das Werkstattrisiko.

Fazit: In Rahmen zahlreicher Unfallschadensabrechnungen beanstanden der Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung immer wieder überhöhte Rechnungen der Reparaturwerkstatt. In fünf bis vor den BGH geführten Gerichtsverfahren wurden nun folgende Aussagen zur Verteilung des damit im Zusammenhang stehenden Werkstattrisikos getroffen:

  1. Das Werkstattrisiko verbleibt auch künftig unverändert beim Schädiger und dessen Versicherung, wenn der Geschädigte die Rechnung bereits bezahlt hat.
  2. Zu differenzieren ist allerdings, wenn der Geschädigte die Reparaturrechnung noch nicht bezahlt hat.

a) Bei einer auf einer Zahlungsanweisung des Geschädigten basierenden, unmittelbaren Auszahlung der Reparaturkosten an die Kfz-Werkstatt liegt das Werkstattrisiko nach wie vor beim Schädiger - allerdings Zug-um-Zug gegen die Abtretung etwaiger Regressansprüche, die der Geschädigte ggf. gegenüber der Kfz-Werkstatt hat.

b) Begehrt der Geschädigte dagegen die direkte Zahlung der Reparaturkosten an sich selbst, dann hat er in Zukunft auch das Werkstattrisiko zu tragen.

c) Im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung trifft das Werkstattrisikos künftig die Werkstatt, wenn diese sich vom Geschädigten dessen Schadenersatzanspruch abtreten lässt. In diesen Fällen muss sie sich dann berechtigte Einwände des Schädigers und seiner Versicherung entgegenhalten lassen und ggf. ausräumen.

Das Schaubild liefert einen Überblick über die beim Werkstattrisiko möglichen Sachverhaltskonstellationen und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen. Bislang liegt zu den BGH-Urteilen (VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23) nur die Pressemitteilung des BGH vor. Sollten sich ggf. aus den späteren ausführlichen Entscheidungsgründen noch weitere wichtige Informationen ergeben, wird hierüber berichtet.