Wagner und Karosseriebauer – gestern und heute

Die Geschichte des Berufs des Wagners/Stellmachers beginnt mit Zeichnungen von Wagenrädern aus der jüngeren Steinzeit, also vor etwa 6000 Jahren v. Chr. Da diese Wagenräder gebaut wurden, muss es also schon in alten Zeiten den „Wagenbauer“ gegeben haben.

Der Wagenbauer im Altertum

In der griechischen Mythologie, die etwa 2500 Jahre v. Chr. geschrieben wurde, spielte der „Sonnenwagen“ eine zentrale Rolle, denn mit ihm konnte die Strecke zwischen Himmel und Erde überwunden werden. Leider legte Göttersohn Phaeton, der den Sonnenwagen für einen Tag lenken durfte, einen Totalschaden hin, indem er mit seinem Wagen auf die Erde stürzte und diese weitgehend verbrannte. Göttervater Zeus sprang dann rettend ein und löschte das Feuer. Das ist wohl die älteste geschichtliche Erwähnung eines Verkehrsunfalls.

Oft wird in den Überlieferungen des Altertums auch der „Streitwagen“ erwähnt. Von Pferden gezogene Streitwagen eigneten sich ideal für Wettkämpfe - und es wurde darüber in Heldensagen berichtet.

Ältestes Gewerbe der Welt

Der Wagenbauer gehört zweifellos zu den ältesten Gewerken der Menschheit. Seine Wagen und Karren ermöglichten die schnelle Fortbewegung und die Überwindung des Raumes, um von A nach B zu kommen.

Sehr viel ausführlicher wird unser Handwerk ab dem Mittelalter, das die Epoche vom 7. bis 15. Jahrhundert umfasste, beschrieben. Handwerker schlossen sich in Zünften und später in Innungen zusammen. Die Jahrhunderte waren geprägt durch die Weitergabe handwerklichen und technischen Wissens und die Ausbildung der Lehrlinge. So feierte die Berliner Karosseriebauer-Innung im September 2016 ihr 475-jähriges Bestehen, dokumentiert durch eine Original-Innungsfahne und alte Aufzeichnungen.

Zünfte und Innungen im Mittelalter

Die in den Städten des Mittelalters entstandenen Zünfte hatten sich klare Regelungen und Verpflichtungen auferlegt. In vielen Städten gab es den Zunftzwang. Berufsethos und Standesehre prägten das Zusammenleben der Handwerker. Geregelt wurde z. B., welcher Handwerker welche Tätigkeiten ausüben durfte. So durfte der Wagner/Stellmacher Fahrzeuggestelle bauen, der Schmied die Beschläge, und die Sattler fertigten die Innen- und Außenverkleidungen aus Leder an. Die Zünfte und Innungen boten aber auch soziale Sicherheiten, achteten auf die Absicherung von Witwen und Waisen und kümmerten sich um den Berufsnachwuchs. Auch das Abrechnungswesen, die Preise für handwerkliche Leistungen, wurde in den Zusammenkünften abgesprochen. Man war unter sich und konnte verhindern, dass sich andere Meister niederlassen konnten.

Keine Einheitlichkeit der Zünfte

Das bis 1806 bestehende „Heilige römische Reich deutscher Nation“ war zwar ein Kaiserreich, bestand aber aus einer Vielzahl von kleinstaatlichen Fürstentümern, Herzogtümern und Grafschaften. Von einer Einheitlichkeit des Zunft- und Innungswesens konnte im sogen. Reichsgebiet keine Rede sein.

Zünfte und Innungen hatten bis Mitte des 19. Jahrhundert keinen organisatorischen Überbau, lebten also weitestgehend unabhängig voneinander. Erst die Veränderungen durch die französische Revolution und das Erstarken Preußens im 19. Jahrhundert brachten überregionale Gesetze und Regelungen.

Gründung des ZKF-Vorläuferverbandes

Mit der Gründung des 2. Deutschen Reiches 1871 kam mehr Ordnung in die Gewerbe- und Handwerksstrukturen. So ist nicht verwunderlich, dass die Gründung des Vorläufers des ZKF im Jahre 1875 erfolgte. Der „Deutsche Stellmacherverband“ wurde in Braunschweig von den Delegierten der anwesenden Wagner/Stellmacher-Innungen gegründet. Ob diese Gründung ganz freiwillig erfolgte oder aufgrund des politischen Drucks des zwischenzeitlich entstandenen Deutschen Kaiserreiches, mag dahingestellt bleiben. Als erster Vorsitzender wurde Hermann Schultze aus Berlin gewählt, der das Amt bis 1888 inne hatte. Übrigens betrug laut historischer Unterlagen der Verbandsbeitrag pro Mitglied 20 Reichspfennige pro Jahr.

1885 wurde der Verband umbenannt in den „Bund deutscher Wagenbauer- und Stellmacher-Innungen“. Ihm wurde das Korporationsrecht, also der Status einer juristischen Person, verliehen. Die heutige Verbandsstruktur geht also klar auf diesen Bund zurück.

Im Mittelpunkt der Arbeit des Bundesverbandes standen bereits im 19. Jahrhundert gleichermaßen kaufmännische wie technische Fragen. Ständiger Schwerpunkt aber war die Ausbildung des Berufsnachwuchses, wie z.B. die Frage, wie lange ein Lehrling pro Tag arbeiten durfte. Tarifverträge, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht.

Das Auto verändert die Tätigkeiten

Ein einschneidendes Ereignis war die Erfindung des mit Motorkraft getriebenen Fahrzeuges im Jahr 1886. Der Beruf des Kfz-Mechanikers entstand. Und die Wagnerbetriebe entwickelten sich in den folgenden Jahrzehnten zu Karosseriebauern, eng kooperierend mit Mechanikern, Schmieden, Sattlern und Wagenlackierern.

Der Bund Deutscher Wagenbauer- und Stellmacher-Innungen änderte in den 1920er Jahren nochmals seinen Namen in „Bund Deutscher Karosseriebauer und Wagner-Innungen“ und führte bis 1934 regelmäßige Bundestage in stets wechselnden Städten im Deutschen Reich durch. Man war gut organisiert und die Karosseriekollegen bildeten eine starke Solidargemeinschaft.

1935 kommt der große Befähigungsnachweis

Auf dem 42. Bundestag 1934 in München wurde auf Befehl höchster nationalsozialistischer Kreise eine Namensumbenennung in „Reichsfachverband für das Deutsche Wagner- und Karosseriebau-Handwerk“ beschlossen und umgesetzt. Als Reichsinnungsmeister wurde Oskar Mende eingesetzt. Einschneidende Veränderungen brachte das folgende Jahr 1935. Für die Handwerksberufe, also auch für die Wagner und Karosseriebauer, wurde der große Befähigungsnachweis eingeführt, wonach sich nur Meister des jeweiligen Berufes selbständig machen und Lehrlinge ausbilden durften. Der Verbandssitz des Reichsverbandes der Wagner und Karosseriebauer wurde nach Berlin gelegt und blieb dort bis zur Ausbombung der Geschäftsstelle im Jahr 1943 und bis Ende des Krieges.

Neuanfang 1947

Ein Neuanfang erfolgte im Jahr 1947 zunächst durch Gründung der „Arbeitsgemeinschaft des Wagen- und Karosseriebau-Handwerks“. Den Vorsitz übernahm Alfred Krebs aus Osnabrück. Die eigentliche Geburtsstunde des heutigen ZKF erfolgte dann auf dem vom 18. bis 21. August 1949 stattfindenden Bundesverbandstag in Rüdesheim. Der „Zentralverband des deutschen Wagen- und Karosseriebau-Handwerks“ wurde gegründet, Alfred Krebs wurde zum ersten Präsidenten gewählt. Sitz des Zentralverbandes wurde Frankfurt am Main. Als Verbandszeichen wurde das heute noch bekannte Wagenrad geschaffen.

Der ZKF erhält seinen heutigen Namen

Den heutigen Namen „Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik“ (ZKF) erhielt der Verband im Jahr 1971 auf dem Bundesverbandstag in Bad Dürkheim. Präsident blieb bis kurz vor seinem Tod 1974 Alfred Krebs. Danach übernahm der Kasseler Handwerksmeister und Unternehmer Karl Schölch das Präsidentenamt, das er bis 1996 inne hatte.

In der DDR wurde das Handwerk in Berufsgruppen mit Bezirksobermeistern gegliedert. Die Berufsausbildung fand überwiegend in den VEB Betrieben und Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) statt, aber auch selbständige Handwerksbetriebe mit bis zu 10 Beschäftigten durften weiterhin ihre Arbeiten ausführen, jedoch streng staatlich kontrolliert. Die Handwerker-Ausbildung war in beiden deutschen Staaten das Bindeglied der Berufskollegen.

ZKF wird gesamtdeutsch

Mit der Wiedervereinigung 1990 wurde der ZKF gesamtdeutsch mit Sitz in Frankfurt am Main. Dem ersten ZKF-Präsidium unter Präsident Karl Schölch gehörten die Vizepräsidenten Gerd Schmädicke aus Potsdam, Heinz Souren, Aachen und Heinz Wiedler, Albstadt an. Bereits zum 1.Oktober 1989, wenige Tage vor der „Wende“, ging das Amt des Hauptgeschäftsführers von Horst Sanden, der den ZKF seit 1954 führte, auf Dr. Klaus Weichtmann über.

Karl Schölch musste aufgrund schwerer Erkrankung sein Präsidentenamt 1996 zur Verfügung stellen. Sein bisheriger Vizepräsident Heinz Wiedler folgte ihm als ZKF-Präsident nach. Auf eigenen Wunsch schied Heinz Wiedler 2002 aus und schlug als seinen Nachfolger Friedrich Nagel aus Offenbach vor. Dieser hatte das Präsidentenamt bis 2011 inne und übergab es auf dem Bundesverbandstag in Erfurt an Peter Börner, der bis zum heutigen Tag Präsident des ZKF ist.

Die Zeit von Hauptgeschäftsführer Dr. Klaus Weichtmann endete aus Altersgründen zum 31.12.2016. Seit dem 1. Januar 2017 führt Thomas Aukamm die Geschäfte des ZKF.

Der Zentralverband ist bestens aufgestellt

Der ZKF ist mit seinen Schwerpunkten Fahrzeugtechnik, Unternehmensführung und Ausbildung bestens aufgestellt und bewegt sich in einem ruhigen Fahrwasser. Im Mittelpunkt steht seit der ersten Bundesverbandsgründung im Jahr 1875 stets das Mitgliedsunternehmen. Wenn es ihm gut geht und es gute wirtschaftliche Erfolge vorweisen kann, dann geht es auch dem Bundesverband gut. Der ZKF hat Stürme und Kriege überstanden, bildet eine starke Gemeinschaft und steht stabil in der bundesdeutschen Handwerkslandschaft.

Möge dies auch in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten anhalten.

KW